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Nicht heute, sondern jeden Tag

Zum feministischen Kampftag (some call it Weltfrauentag) gäbe es sicher viel zu sagen, zum Beispiel, dass cis Frauen, trans Frauen, nicht-binäre Menschen, queere und gender-nonconforming Personen unter patriarchaler Gewalt leiden, und das jeden Tag und überall in der Welt.

Dass immer noch nicht oft genug das Wort Femizid in den Mund genommen wird.

Dass male gaze, rape culture und das ganze Paket toxischer Männlichkeit so tief in den Alltag verflochten sind, dass Auswege nur unter großen Anstrengungen zu schaffen sind.

Da gehts nicht um ein verschusseltes Dankeschön oder um Blumen, denen die Wiese besser steht als eine Vase, da geht es um strukturelle Gewalt, um Gewalt in Systemen in denen wir uns täglich bewegen, und die im Jahr 2021 dringender denn je ins Bewusstsein dringen und radikal erneuert werden müssen.

Und da das hier eine spirituelle Seite ist, richten wir unseren Blick doch auf die spirituellen Milieus, und auch da sehen wir wie sehr es einer geistigen Feuerwalze bedarf, um diskriminierendes bis missbräuchliches Denken und Agieren zu beseitigen:

Es ist nicht immer so offenkundig wie in der katholischen Kirche, in der die entscheidenen Ämter, Weihen und Würden Frauen kategorisch vorenthalten werden, in der es eine nicht endende Geschichte geistigen, körperlichen und sexuellen Missbrauchs gibt, und in der die LGTBQI+ Community seit Ewigkeiten diskriminiert und der Gewalt LGTBQI+ feindlicher Gesellschaften zum Fraß vorgeworfen, und in der eine Ikonographie weiblicher Unterwürfigkeit sorgsam gepflegt wird.

Es kommt auch (manchmal) ein klein wenig subtiler daher, in der Weite freier spiritueller Gruppierungen, im Überangebot cis-männlicher Gurus und guruartiger Führungspersonen, in Seminarangeboten deren Konzept nichts anderes als hanebüchenes Mansplaining ist (schaut mal wie viele Cis-Männer Seminare zu Weiblichkeit und Frausein anbieten oder Bücher darüber schreiben wie Frau ihr Frausein entfalten kann), in vertröstenden heruntergekuschelten Narrativen von "Entdecke die Göttin", die in den meisten Fällen kein Empowerment bedeuten, sondern eine Beruhigungspille für Frauen die im Alltag wenig Handlungsspielraum haben, und in den vielen Gruppen spiritueller Menschen, die auf die ein oder andere Art lesben-, homosexuellen-, trans- und queerfeindlich sind und diese Feindseligkeit spirituell oder religiös maskieren.

Wir begegnen in spirituellen Milieus häufig Rollenbildern, in denen die Frau immer wieder in Konzepte wie Fürsorglichkeit, Mitgefühl und Empfänglichkeit genötigt wird, während Männer sich als willensstark, schöpferisch, kämpferisch und bewusst inszenieren dürfen.

Wir erleben spirituell verkleistertes Gaslighting an vielen Ecken und Enden spiritueller Selbstoptimierungswege, und das fängt nicht erst in den Sekten an, die es schaffen, Gegenstand erschütternder Netflix- oder Primedokuserien zu werden (schon "Seduced-Inside the NXIVM Cult" geschaut?), sondern das beginnt im Kleinen und vielleicht schon in der Meditations- oder Yogagruppe die du Samstags besuchst.

Es gibt tausende Arten, auf die cis Frauen, trans Frauen, nicht-binäre Menschen, queere und gender-nonconforming Personen in spirituellen Feldern diskriminiert, manipuliert, unterdrückt und benachteiligt werden, und wir alle dürfen da wacher, aufmerksamer und radikaler sein, diese Themen zu adressieren, und uns dabei auch selbst zu reflektieren, und dann ins Handeln zu gehen, und zwar ohne dass wir uns dem -wiederum patriarchal-toxischen- Anspruch beugen, dabei besonders nett, freundlich, sachlich, konstruktiv, weiblich, kompromissbereit oder sonstwie "weich" aufzutreten. Weich ist eine Eigenschaft von Gummibärchen, nicht von Frauen.

In jüngster Zeit brechen viele alte, durch Gewohnheit träge -aber dadurch nicht richtiger- gewordene Denk- und Handlungssysteme auf. Das ist begrüßenswert und solche Gelegenheiten können wir nur nutzen, um gründlich aufzuräumen. Wenn nicht heute, wann dann?

P.S.: Und nein, es ist nicht anachronistisch, feministisch zu sein, auch wenn sich einige spirituelle Dienstleister/selbsternannte Bewusstseinspioniere herausnehmen, irgendwas von postfeministischem Zeitalter und Geschlechterversöhnung zu schwurbeln. Schaut in die Welt, in die Nachrichten, in die Kriminalstatistiken oder in eure eigene Biographie, und es zeigt sich, dass Feminismus so wichtig ist wie Sauerstoff. Und auch Feminismus kann und muss wachsen, reifen, sich selbst reflektieren und weiter gehen als gestern und heute noch - intersektional & queer & kapitalismuskritisch & x.

Be human - be feminist.

Foto: Iconic feminist graffitti, 1979, photographed by Jill Posener, British photographer and activist

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